Frankreich 2016

Milaim Rama, erster Albaner in der Schweizer Nati

Der erster Fussballer mit albanischen Wurzeln, der in einer EM gespielt hat, ist Milaim Rama – für die Schweizer Nati. Nach zwölf Jahren spricht er mit albainfo.ch über seine goldene Zeit bei der Nati und über die heutigen Fussballer albanischer Herkunft, die für die Schweizer Nationalmannschaft spielen.

  • Milaim Rama, Keystone

 

Sechs Fussballer mit albanischen Wurzeln spielen heute in der Schweizer Nationalmannschaft. Bis vor wenigen Jahren war dies anders. Im Jahr 2004 war Milaim Rama der erste Fussballer mit albanischen Wurzeln, der für die Schweiz spielte. Er war auch der erste Albaner, der in einer EM teilgenommen hat, in Portugal 2004.

Die Legende von Thun, der beste Torschütze des Clubs, lief am 23. Mai 2012 die letzte Runde auf dem Platz – es war der letzte Tag als aktiver Fussballer für Milaim Rama. Vier Jahre später, am 6. Mai 2016 spielt Rama ein Freundschaftsspiel zu Ehren der Legenden des Schweizer Fussballs. Der Gegner ist ein Amateuren-Club der Sponsoren der Schweizer Nati. Rama, inzwischen 40 Jährig zeigt sich immer noch in Topform; er hat kein Kilo zugelegt.

Albinfo.ch: Vor nun vier Jahren haben Sie Ihre Karriere als aktiver Fussballer beendet. Womit beschäftigen Sie sich jetzt? Und gibt es in Ihrem Leben jetzt noch Platz für den Fussball in irgendeiner Form?

Milaim Rama: Zunächst muss ich sagen, dass ich von FC Thun schon enttäuscht war; von dem Club, für den ich alles gegeben habe. 13 Jahre als Angreifer und 113 geschossene Tore: es passiert einem Club wie dem FC Thun nicht oft. Und sie konnten mich nicht in ihren Strukturen aufnehmen. Wie auch immer, seitdem ich meine Karriere als Fussballer beendete, habe ich zunächst einige Regionalligaclubs unterstützt. Danach habe ich mich entschieden, als Versicherungsvermittler zu arbeiten. Ich arbeite in Zürich für die Firma von Lulzim Zharku – ein grosser Fan und Unterstützer des Fussballs.

Albinfo.ch: Wie haben Sie sich heute gegen die Gegenspieler durchsetzen können, die viel jünger sind als Sie?

Milaim Rama: Heute war ein Freundschaftsspiel, ohne Zwang und die Fussballer konnten sich austauschen lassen. Das Spiel hatte natürlich nicht die Intensität eines ‚normalen‘ Spiels.

Albinfo.ch: Kosova hat jüngst die Mitgliedschaft in die UEFA und FIFA geschafft. Was ist Ihre Meinung hierzu? Wer wird von dieser Mitgliedschaft am meisten profitieren.

Milaim Rama: Es ist sicherlich die Erfüllung einer langen Erwartung und eine grosse, wenn auch verspätete Chance, für die jungen kosovarischen Spieler. Von meiner Zeit als Jugendlicher weiss ich, wie es ist, Fussball in der Isolation zu spielen, ohne eine greifbare Perspektive, teil des Weltfussballs zu sein. Wie Sie wissen, bin ich mit 17 Jahren aus einem Dorf in Kosova in die Schweiz gekommen. Die Mitgliedschaft in UEFA und FIFA ist ein grosses Ereignis für den kosovarischen Fussball. Die jahrelange Isolation ist nun zu Ende.

Albinfo.ch: Was sagen Sie den Stimmen, die bezüglich der Mitgliedschaft von Kosova in UEFA und FIFA sehr kritisch sind – es würde die albanische Nationalmannschaft schwächen?

Milaim Rama: Ich hoffe sehr, dass in einer nahen Zukunft aus zwei albanischen Nationalmannschaften eine starke albanische Nationalmannschaft wird. Es ist jedoch unbestritten ein grosser Erfolg, dass nach der Qualifikation Albaniens für die EM 2016 auch Kosova sich für die WM 2018 qualifizieren kann.

Albinfo.ch: In der Öffentlichkeit wurde viel Lärm hinsichtlich der Entscheidungen der albanischstämmigen Spieler in der Schweizer Nati gemacht: Ihnen wird „Verrat“ von Albanien bzw. „fehlende Loyalität“ gegenüber der Schweiz vorgeworfen. Was denken Sie darüber?

Milaim Rama: Eine solche Diskussion ist sicherlich schädlich, besonders jetzt im Vorfeld der EM, wenn die Spieler volle Konzentration brauchen. Ich denke, dies ist ein Spiel der Medien, um ihre Quoten zu steigern. Man darf den Spielern nicht auf den Rücken fallen und Ihnen irgendeine Entscheidung auferlegen – von keiner Seite. Die Spieler müssen und können selber entscheiden, für wen sie spielen wollen. Wir sollten nicht vergessen, dass die Spieler sich so erfolgreich entwickelt haben, weil sie in der Schweiz ein System hatten, das sie und den Fussball unterstützt hat.

Albinfo.ch: Wie haben Sie sich als Nati-Spieler gefühlt? Wie hat man Sie empfangen als einer der wenigen Spielern mit ausländischen Wurzeln?

Milaim Rama: Ich habe mich sehr gut und sehr wohl gefühlt. Ich war damals und bis es immer noch stolz darauf, dass ich Teil dieser Mannschaft gewesen bin. Ich bin der erste albanischstämmige Spieler, der für die Nati aufgelaufen ist und gleich der erste albanische Fussballer, der in einer EM teilgenommen hat. Dies ist sicherlich etwas Besonderes für mich.

Man hat mich in die Nati sehr gut aufgenommen. Ich habe zu keinem Zeitpunkt irgendeinen Unterschied im Verhalten des Personals oder der Spieler mir gegenüber gespürt. Ich wurde nie anders behandelt oder anders angesehen, nur weil ich ausländische Wurzeln habe. Ich habe mich mit allen Spielern sehr gut verstanden und mich mit allen befreundet. Mit einigen von meinen Mitspielern habe ich auch heute noch Kontakt und pflege eine gute Freundschaft.

Albinfo.ch: Als Sie vor 12 Jahren für die Schweizer Nati gespielt haben, haben Sie ein Angebot erhalten, für Albanien zu spielen?

Milaim Rama: Es geht um die Zeit, in der ich einer der wenigen Spielern mit ausländischen Wurzeln in der Schweiz war. Ich bin stolz auf diese Zeit und ich habe mich damals sehr gut aufgehoben gefühlt. Ich habe für die Schweizer Nati 7 Spiele absolviert.

Was der albanischen Nationalmannschaft betrifft: sie haben mich nur einmal kontaktiert; dann war es aber schon zu spät. Ich möchte betonen, dass zu der Zeit der albanische Fussballbund nicht annährend die Organisation und die Zielsetzungen hatte, dies heute hat.

Albinfo.ch: Für die Nati spielen 6 Spieler mit albanischen Wurzeln. Rund 10 Schweizer-Albaner spielen für die albanische Nationalmannschaft und mehrere weitere für die kosovarische Nationalmannschaft. Wie erklären Sie sich dieses „albanische Phänomen“ im Fussball?

Milaim Rama: Was Sie sagen ist wahr: wir haben eine beispiellose Explosion von albanischen Fussballtalenten in der Schweiz. Dies ist sicherlich mit dem Talent der albanischen Jungs zu erklären, aber die sehr guten Fussballschulen und die hervorragende Jugendarbeit in Schweiz sind entscheidend. Die Schweiz hat sehr viel in die Ausbildung von jungen Talenten investiert. Die Arbeit ist sehr professionell und es zahlt sich aus: es gibt nun sehr qualitative Spieler, die in der Schweiz aber auch international Karriere machen. Davon haben sicherlich viele Spieler mit albanischen Wurzeln profitiert. In dieser Hinsicht haben auch die albanischen Eltern eine grosse Rolle gespielt; sie haben ihre Kinder motiviert und unterstützt, Fussball zu spielen. So haben sie den Erfolg mitgeprägt.

Blumen und Tränen für Rama beim Abschied von FC Thun

Der 23. Mai 2012 war ein historischer Tag, der sich so selten auf dem Rasen ereignet. Mit Tränen in den Augen lief Milaim Rama seine letzten Runden in der Arena von FC Thun und verabschiedete sich von seinen Fans. Viele Fans hatten auch Tränen in den Augen. Rama erhielt an diesem Tag viel Sympathie, viele Blumen und viele Glückwünsche: ein Beweis dafür, dass sich die Fans mit ihrem Idol verbunden fühlten und dankbar waren für 13 Jahre Einsatz, 355 Spiele und 113 Tore. All dies hat sich im Kollektivgedächtnis der Fussballfans der Stadt Thun eingeprägt.

letemps5
Artikel erschienen in Le Temps, im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Albinfo.ch