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Wie viel kostet es, aus Kosova wegzugehen?
In Gjilan soll es bei Taxifahrern zur Gewohnheit geworden sein, zu fragen: „Will jemand nach Subotica?“ Die Kosovaren nutzen das Preshevatal als Trampolin, um von dort nach Ungarn weiterzureisen. Albinfo.ch wollte „die Illegalen“ aus der Nähe sehen.
Der Aufbruch der Kosovaren in Richtung Länder der Europäischen Gemeinschaft, auf der Suche nach einem besseren Leben, nimmt kein Ende. In der Gegend von Gjilan, die vom “Aufbruchssyndrom“ am meisten betroffen ist, zirkuliert eine Desinformation, wonach „grössere Chancen auf einen Flüchtlingsstatus hat, wer in diesem Jahr ein Asylgesuch stellt“.
In den Lokalen und Wohnzimmern der Stadt wie auch in der ganzen Anamoravagegend wird von nichts anderem mehr gesprochen als über die Frage: “Wie Kosova verlassen?”.
Allein aus den Dörfern Bilinicë, Pogragjë, Malishevë und Uglarë sind Dutzende Familien weggegangen. Und Tausende verliessen die Gegend von Viti, Dardana und Ferizaj.
Bis vor einem Monat waren die jungen Menschen mit dem Autobus von Prishtina und Ferizaj Richtung Belgrad aufgebrochen; nun hat sich die Route geändert. Jetzt nutzen sie das Preshevatal als Sprungbrett, um anschliessend den Weg nach Belgrad und Subotica zu nehmen, von wo aus sie weiter nach Ungarn reisen.
“Sie wollten 600 Euro bis nach Subotica“
Albinfo.ch war in Bujanoc, um den Aufbruch junger Leute wie auch ganzer Familien Richtung Europäische Gemeinschaft aus der Nähe mit zu erleben. Die Mehrheit reist mit Autobussen, die abends in Richtung Westeuropa abfahren, und später steigen die Leute an der Grenze aus, um illegal auszureisen.
Andere nehmen die reguläre Linie nach Belgrad, den „Niš Express“, doch daneben gibt es auch Leute, die improvisierte Taxis (Schwarzfahrer) bezahlen, die sie bis nach Subotica befördern.
“Sie verlangten 600 Euro, um mich bis an die ungarische Grenze zu bringen. Sie sagten, wenn ich drei andere fände, komme es mich billiger”, sagte ein Junger aus einem Dorf der Gemeinde Viti, der ebenfalls illegal nach Bujanoc ausgereist war.
“Am Grenzübergang Dheu i Bardh holte mich die kosovarische Polizei aus dem Autobus. Sie fragten mich, was ich im Preshevatal wolle. Ich antwortete, ich hätte dort einen Freund. Sie sagten mir, ich solle ihn anrufen, und da ich darauf nichts zu sagen wusste, holten sie mich heraus. Nachdem ich nach Gjilan zurückgekehrt war, fand ich dort ein paar Leute, die mich bis nach Bujanoc brachten”, berichtete er.
Unterdessen sei es unter Taxifahrern gar zur Gewohnheit geworden, zu fragen: “Will jemand nach Subotica?”
“Nie war es billiger, das Land zu verlassen. Mit 500 Euro kommst du bis nach Frankreich. Früher war es 3000 oder auch 4000 Euro. Deshalb gehen die Leute weg”, erklärte Bardhyl, ein 40-Jähriger aus Gjilan.
“Ich war früher in Schweden. Damals hatte ich den Traktor und einen Zastava 101 verkauft, um als Flüchtling wegzugehen. Jetzt können sie mit 500 Euro weggehen”, sagt er.
Sie wollen Bescheinigungen mit Foto
An den Schaltern der Gemeindeverwaltung von Gjilan beantragen immer mehr Personen Geburtsscheine, um damit zu immigrieren. Die meisten wollen, dass auf den Scheinen auch eine Foto angebracht wird. Das bedeutet, dass sie diese Dokumente zur Ausreise aus Kosovo benötigen.
Agim Velekinca, Leiter des Zivilstandsamtes in Gjilan, sagte gegenüber den lokalen Medien, in letzter hätten die Anträge auf Bescheinigungen und Auszügen stark zugenommen.
“Es tut weh, wenn jemand darum bittet, ihm zu helfen, und wenn die Leute wollen, dass ihre Dokumente mit Fotos und Bescheinigungen über ihre Identität versehen werden, um über die Grenze zu gehen”, sagte er gegenüber den lokalen Medien.
Andrerseits ist die Polizei von Kosovo verstärkt aktiv in der Prävention von Emigration. Vor zwei Tagen hielt die Polizei am Grenzübergang Dheu i bardh einen makedonischen Staatsbürger an, unter dem Verdacht, dieser habe vier Geschädigten 300 Euro abgenommen, um sie bis nach Subotica zu bringen.
Albinfo.ch sprach auch mit der Polizei Kosovas. Deren Sprecher Baki Kelani sagte, die Polizei habe ihre Bemühungen zur Verhaftung von Schleppern verstärkt. Er bestätigte, dass das Phänomen der irregulären Migration kosovarischer Staatsangehöriger in Staaten der EU sich in den letzten zwei Monaten ausserordentlich stark entwickelt habe.
“Die Grenzübergänge Kosova-Serbien sind von der zunehmenden Ausreisebewegung zwecks irregulärer Migration betroffen, weshalb verstärkte Bemühungen der kosovarischen Polizei gegen dieses Problem nötig wurden”, erklärte Kelani.
Verhaftung zahlreicher Schlepper innert zwei Jahren
Der kosovarische Polizeioffizier sagte, es bestehe der Verdacht, dass die Kosovaren Opfer verschiedener Falschinformationen und von Propaganda bestimmter Personen oder Gruppen aus Schlepperkreisen würden.
Laut Kelani fand und verhaftete die Polizei während der letzten zwei Jahre hunderte von Schleppern von Emigranten. “2013 kam es zu 66 Verhaftungen mit Strafanzeigen mit 223 verdächtigten Personen. Ebenso 2014, wo es 78 Fälle von Strafanzeige gab mit insgesamt 240 Fällen”, erklärte Kelani.
Zudem wurden laut dem Polizeisprecher sieben Schlepper dank internationaler Zusammenarbeit verhaftet.
Der Aufbruch aus Kosovo bereitet auch der politischen Führung im Land Sorgen. Präsidentin Atifete Jahjaga sagte, das Ausmass der Zahl von Menschen, die das Land verliessen, sei sehr besorgniserregend, während Bekim Çollaku, der Minister für die europäische Integration, die Bevölkerung aufrief, nicht zu emigrieren, denn die EU-Länder würden Kosovaren kein Asyl geben.
“Noch mehr Sorgen bereitet das Phänomen der illegalen Migration unserer Staatsangehörigen, das wie es scheint in den letzten Wochen sehr zugenommen hat. Das bedeutet für uns, dass wir uns stärker um unsere Wirtschaftspolitik, den Rechtsstaat, die staatliche Legitimität und die Zukunft unserer Bürgerinnen und Bürger kümmern müssen “, sagte Jahjaga.
Minister Çollaku seinerseits bezeichnet den Aufbruch der Menschen in Richtung EU als doppeltes Übel für Kosova.
“Alle, die diesen Weg gehen, bringen sich und ihre Familien in grosse Gefahr, und dies ohne jegliche Chance auf irgend einen Gewinn. Sicher ist, dass die einzigen Profiteure aus der illegalen Migration die Schlepper und Kriminellen sind”, sagte Çollaku.
Unabhängig von den Ursachen, die so viele Kosovaren veranlassen, eine derart risikoreiche Reise zu unternehmen, ist es laut dem erwähnten Minister sozusagen unmöglich, dass irgend einer von ihnen einen Asylstatus in einem EU-Land erhielte.
Chance auf Asyl gleich Null
“Das bedeutet, dass die Menschen – abgesehen davon, dass sie ihre letzten finanziellen Reserven verlieren – beim Versuch, die Grenze illegal zu überqueren, verhaftet werden, bis zu ihrer Repatriierung monatelang unter schwierigen Umständen zu leben gezwungen und bei der Rückkehr nach Kosova noch ärmer als vorher sind”, gibt er zu bedenken.
Doch diese Nachrichten sind für Bardhyl nicht von Belang. “Sollen sie sagen was sie wollen, diese Diebe von Politikern. Besser unter den Brücken Frankreichs als wie ein Vagabund ohne einen Cent in der Tasche leben. Hoffnung auf eine Arbeitsstelle gibt es nicht. Am Zoll von Dheu i bardh arbeiten die Leute von Drenica … Besser weggehen”, erklärt er.
Die Arbeitslosigkeit in Kosova ist die höchste der Region und beträgt gegen 40 Prozent.
Doch der Bürgermeister von Prishtina, Shpend Ahmeti, schrieb auf dem sozialen Netzwerk Facebook an die Bevölkerung, und rät ihr, nicht den Weg in die weite Welt hinaus zu gehen.
“Jeder und jede hat seine eigenen Sorgen und alle möchten ein besseres Leben, doch die absoluten Zahlen abgelehnter Asylgesuche sind dieser Tage gestiegen. Wir müssen Kosova schnellstens vor den Übeltätern und all den Korrupten retten, denn wenn wir das weiterhin zulassen, werden es immer mehr Menschen sein, die von den Gefängnissen und von unter den Brücken Europas zurückkehren, doch dann ohne Haus und mit Schulden”, sagte Ahmeti.
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