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Kinderrechte und Sprache sind eins

Im Interview mit Albinfo.ch erzählt uns Blerta Kadriu, eine ambitionierte Primarlehrerin aus dem Kanton Aargau, wie Sie in Ihrem Unterricht Kinderrechte und Klassenrat miteinander vereint

In dieser Septemberwoche fand im deutschsprachigen Raum «der Weltkindertag» statt. In Deutschland und Österreich wird der 20. September, welcher auf den Kindesschutz und die Kinderrechte hinweisen soll, auch als Feiertag gefeiert. In der Schweiz haben die Schülerinnen und Schüler zwar nicht frei, jedoch begegnen die Kinder dieses Thema regelmässig im Schulalltag, so wie beispielsweise im Unterricht von Frau Kadriu.

Im Interview mit Albinfo.ch erzählt uns eine ambitionierte Primarlehrerin aus dem Kanton Aargau, wie Sie in Ihrem Unterricht Kinderrechte und Klassenrat miteinander vereint. Blerta Kadriu liebt es mit Kindern zu arbeiten und die Schülerinnen und Schüler mit Kinderrechten spielerisch vertraut zu machen.

Albinfo.ch: Frau Kadriu erzählen Sie uns doch von Ihrer eigenen Erfahrungen als Lehrperson mit den Kinderrechten und wie sie diese im Schullalltag begegnen?

Blerta Kadriu: Aktuell unterrichte ich eine dritte Klasse, welche ich Ende Schuljahr als meinen ersten Klassenzug (1. Klasse bis zur 3. Klasse) verabschieden darf.  Als Lehrperson erfülle ich das Recht der Kinder auf Bildung, denn unterrichten ist gleichzeitig Teil meines Berufsauftrags. Differenzierter Unterricht, Chancengerechtigkeit, Achtung ihrer Integrität sowie die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler sind Berührungspunkte und Bestandteile der Kinderrechte.

Hinzukommen meine Erfahrungen als Fachlehrperson und schulische Heilpädagogin. Die Arbeit war sehr vielfältig, sei es in der Unterstützung beim familiären Umfeld, der physischen und psychischen Entwicklung, der Gesundheit oder den angepassten Unterrichtsinhalten des Kindes.

Albinfo.ch: Rechte und Pflichten in der Schule ist vielfach ein emotional geladenes Thema. Gibt es aus Ihrer eigenen Schulzeit eine Situation, wo Sie auf Ihre Rechte beharren mussten?

Blerta Kadriu: Selbstverständlich geriet auch ich in der eigenen Schulzeit in knifflige Situationen, wo ich mich auch unfair behandelt fühlte. Beispielsweise während meiner Fachmittelschulzeit in Kanton Zürich. Glücklicherweise hatte ich das Privileg in einer hilfsbereiten Klasse zu sein, wo wir Schülerinnen und Schüler uns gegenseitig stark machten. In meinem Jahrgang gehörte ich zu den wenigen Schülerinnen mit Migrationshintergrund und einer weiteren Muttersprache als nur Deutsch. Ich habe zu spüren gekriegt, dass ich trotz ähnlichen Resultaten oder Fehlern deutlich schlechtere Noten hatte. Da ich nicht allein betroffen war, wurde es zu einem Thema in der gesamten Klasse, weshalb wir gemeinsam die Idee im Klassenraten entwickelten, Aufsätze künftig elektronisch und nur mit Fantasienamen zu verfassen. Die Lehrperson war offen gegenüber dieser Idee und willigte es auch ein.

Tatsächlich erhielt ich deutlich höhere Schulnoten in Deutsch, was die gesamte Klasse und mich sehr freute. Durch die Anonymisierung der Aufsätze habe ich mehr als nur höhere Schulnoten erreicht. Durch diesen besonderen Schulerfolg erhielt ich wieder Sicherheit über mein eigenes Lern- und Arbeitsverhalten. Vor allem aber gelangte meine Klasse und ich auf eine unvoreingenommene Beurteilung im Deutschfach. Es ist ein tolles Beispiel, um aufzuzeigen, dass man Chancenungerechtigkeit entgegenwirken kann und den Kindern und Jugendlichen das Recht auf Partizipation vorlebt.

Albinfo.ch: Welche Bedeutung haben Kinderrechte in Ihrem Berufsalltag und inwiefern machen sich Kinderrechte auch in Ihrem Unterricht sichtbar.

Blerta Kadriu: Mein Berufsalltag spiegelt praktisch die ganze Bandbreite von Kinderrechten wider. Ziele und Themen bezüglich der Kinder- und Menschenreche, leite im Unterricht vom Lehrplan21 ab.

Weltweit mussten alle Staaten Inhalte der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) im jeweiligen Bildungsauftrag bzw. staatlich verordnetem Lehrplan integrieren, so auch die Schweiz.

Der Begriff gewaltfreie Kommunikation gilt an unserer Primarschule als Massstab für alle Beteiligten im Schulhaus. Denn durch die Art und Weise, wie wir im Unterrichtsalltag miteinander sprechen kann dieses Bildungsziel auch für die Kinder konkret beobachtbar und dadurch auch messbar gemacht werden. Auch Regeln oder unsere Vorgehensweise bei Konflikten im Klassenverband können Schülerinnen und Schüler helfen ein Bewusstsein für die unterschiedlichen Themen der Kinderrechte schrittweise zu entwickeln.

Ein sehr praktische Lerngelegenheit für Kinderrechte ist in meinen Augen der Klassenrat. Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Bedingungen und Voraussetzungen stehen auch stellvertretend für die heutige Diversität in unserer Gesellschaft. Im übertragenen Sinn lernen wir im Klassenrat auch, wie wir gegenwärtig und später als positive Vorbilder und aktive Teilhaber in der Gesellschaft miteinander kommunizieren wollen.

 Albinfo.ch: Kinder und Jugendliche aus sogenannten bildungsfernen Familien können eine ganz andere Gesprächskultur mit in die Schule bringen. Ist das nicht Zündstoff in der Schule und wie öffnet man Schritt für Schritt eine gewaltfreie Kommunikation in so einem Fall?

 Blerta Kadriu: Ich vertrete die Meinung, dass Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Familien nicht in Zusammenhang mit einer gewaltgeprägten Kommunikation gleichgesetzt werden müssen. Es können die unterschiedlichsten Familien von Gewalt betroffen sein. In meiner Rolle als Lehrperson möchte ich jedem Kind einen Lernzugang zu unserer Gesprächskultur im Klassenrat schaffen. Die Eltern spielen dabei eine wichtige Rolle, welche eine grosse Unterstützung für eine gewaltfreie Kommunikation sein können.

Aus meiner beruflichen Erfahrung kann ich sagen, dass dieser Lern- und Entwicklungsprozess (Weg zu gewaltfreier Kommunikation) sehr anspruchsvoll sein kann und manchmal auch nicht gelingen kann. In solchen Fällen können wir Lehrpersonen auf verschiedene Ressourcen der Schule, externen Fachpersonen, Institutionen, Sozialpädagogen oder weiteres zurückgreifen.

Von äusserst grosser Bedeutung bleibt jedoch die Zusammenarbeit mit den Eltern selbst. Unter optimalen Umständen spürt ein Kind bzw. ein Jugendlicher, dass Familie und Schule zusammen an einem Strick ziehen. Das stärkt alle Beteiligten und allen voran stärkt es die Kinder im Lernprozess einer gewaltfreien Kommunikation.

Die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Eltern, Kind und Lehrperson bildet eine tragende Säule für die Sicherstellung und Durchsetzung der Kinderrechte.

Interview geführt: Driter Gjukaj