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Das Tri Net Film Fest auf einem erfolgreichen Weg zu seiner künstlerischen Reife

Interview mit Ben Apolloni, Programmkurator, über die Vision, die Filmauswahl und die kulturelle Rolle des Festivals

Das Tri Net Film Fest tritt in seine vierte Ausgabe ein zu einem Zeitpunkt, an dem die kulturelle Dynamik der albanischen Diaspora in der Schweiz eine neue Reife zeigt, einen Horizont, in dem sich Filmkunst, Identität und interkultureller Dialog auf natürliche Weise begegnen. Als Plattform, die albanische und deutschsprachige Filmschaffende miteinander verbindet, etabliert sich das Festival als ein wichtiger ästhetischer und professioneller Treffpunkt, an dem der Kurzfilm nicht nur Aufmerksamkeit erhält, sondern auch einen beständigen Raum für Reflexion. In diesem Zusammenhang bietet das Gespräch mit Ben Apolloni, Regisseur und Programmkurator, einen klaren Einblick in die neuen Beiträge und in die Rolle, die das Tri Net Film Fest innerhalb der Kunstgemeinschaft der Diaspora zunehmend einnimmt.

albinfo.ch: Das Tri Net Film Fest geht in seine vierte Ausgabe, eine Phase, in der sich für gewöhnlich die kuratorische Identität eines Festivals festigt. Wie würden Sie heute die Rolle, die Mission und die Bedeutung von Tri Net im Ökosystem des albanischen Kurzfilms und der Diaspora definieren?

Ben Apolloni: Das Tri Net Film Fest entstand aus der Idee, ein Treffpunkt zwischen dem albanischen und dem deutschsprachigen Kino zu sein. Für diese Ausgabe haben wir mit mehreren Verleihern zusammengearbeitet, die uns Filme in deutscher Sprache geschickt haben. Dadurch wurde das Programm bereichert und das ursprüngliche Ziel des Festivals konnte erreicht werden. Natürlich werden albanische Filme nie fehlen und ich glaube, dass die vierte Ausgabe besonders reich an interessanten Beiträgen sein wird.

albinfo.ch: Das Motto „Kurz auf der Leinwand, lange im Gedächtnis“ deutet auf eine bewusste Beziehung zur kurzen Form hin. Aus Ihrer künstlerischen, kuratorischen Perspektive, wie schafft man mit begrenzter Dauer ein Filmerlebnis mit nachhaltiger Wirkung?

Ben Apolloni: Das Motto „Kurz auf der Leinwand, lange im Gedächtnis“ bezieht sich auf den Kurzfilm, ist aber nicht ausschließlich darauf beschränkt. Die Idee ist, dass das Programm des Tri Net Film Fest Filme präsentiert, die wir nur für die Dauer ihrer Laufzeit sehen, deren Ideen und gestalterische Umsetzung jedoch lange in unserem Gedächtnis bleiben.

albinfo.ch: Le processus de sélection des films est essentiel pour l’identité de tout festival. Quel est votre critère principal: la force narrative, la cohérence esthétique, l’authenticité de l’auteur ou l’efficacité du langage visuel? Quel élément rend une œuvre “indispensable ” pour la programmation officielle?

albinfo.ch: Der Auswahlprozess der Filme ist entscheidend für die Identität eines jeden Festivals. Was ist Ihr wichtigstes Kriterium: die narrative Stärke, die ästhetische Kohärenz, die Autor*innenstimme oder die Wirksamkeit der visuellen Sprache? Welches Element macht ein Werk für das offizielle Programm unverzichtbar?

Ben Apolloni: Die Auswahl der Filme, also die Zusammenstellung des Festivalprogramms, gehört zu den schwierigsten Prozessen, weil sie auch der zentrale Bestandteil eines Festivals ist. Als Programmkurator trage ich diese Verantwortung, doch als Filmliebhaber habe ich keine Mühe gescheut, jeden Film aufmerksam zu sehen. Ich habe versucht, Filme mit interessanten und provokanten Inhalten auszuwählen, ohne dabei die ästhetischen Werte und die narrative Kraft zu vernachlässigen.

albinfo.ch: In den letzten Jahren experimentiert eine wachsende Zahl junger Regisseurinnen und Regisseure aus Albanien, Kosovo und Nordmazedonien mit neuen Formen des filmischen Erzählens. Wie lesen Sie diese neue kreative Strömung und welche Tendenzen erscheinen Ihnen im Verhältnis zum zeitgenössischen Publikum besonders relevant?

Ben Apolloni: Die Entstehung eines Films oder jeder anderen künstlerischen Arbeit erfordert Mut, neue Ausdrucksformen zu erproben. Und albanische Regisseurinnen und Regisseure, egal wo sie arbeiten, scheinen die weltweiten Entwicklungen des Kinos aufmerksam zu verfolgen und zögern nicht zu experimentieren. Meiner Meinung nach haben sie heute nur ein großes Problem: den Mangel an Budget und das Fehlen einer albanischen Filmindustrie, die ihre Entwicklung ermöglichen würde. Ich habe es viele Male gesagt, unser Land ist eine Fundgrube an Themen, aber leider gibt es nur wenige Möglichkeiten, diese im Film zu bearbeiten.

albinfo.ch: In vielen internationalen Festivals ist das Gleichgewicht zwischen Wettbewerb und künstlerischem Dialog ein zentrales Thema. Wie positioniert sich das Tri Net Film Fest in dieser Hinsicht: strebt es nach einer klaren Wettbewerbsausrichtung oder sieht es den wichtigsten Wert im ästhetischen Dialog und im inhaltlichen Austausch zwischen den Autorinnen und Autoren?

Ben Apolloni: Wir haben lange über die Preisvergabe gesprochen und schließlich beschlossen, dass auch das Tri Net Film Fest Auszeichnungen vergeben wird. Für mich als Regisseur ist jedoch etwas anderes wichtiger, nämlich dass albanische und deutschsprachige Filmschaffende einen ästhetischen Dialog entwickeln, wie Sie es genannt haben.

albinfo.ch: Die Organisation eines Festivals in der Diaspora macht die Gemeinschaft zu einem strukturellen, nicht nur emotionalen Faktor. Wie hat sich diese Gemeinschaft rund um das Tri Net Film Fest entwickelt und wie hat sie das Profil des Festivals über diese vier Ausgaben hinweg geprägt?

Ben Apolloni: Die albanische Diaspora ist großartig. Ich habe es bereits bei der letzten Ausgabe gesagt, vor den Anwesenden im Festival, dass Kosovo seine Freiheit auch dank der außergewöhnlichen Tätigkeit der Diaspora erlangt hat, und dafür sollten wir ihr ewig dankbar sein. Ich freue mich sehr, wenn ich die albanische Gemeinschaft im Kino treffe. Der Gang ins Kino oder ins Theater ist ein Zeichen von Zivilisation und mein Herz wird weit, wenn ich sehe, dass wir eine gebildete Diaspora im Herzen der europäischen Zivilisation haben. Ich freue mich darauf, sie in der vierten Ausgabe wiederzutreffen und mit ihnen über Film, über Kultur im Allgemeinen und über die Entwicklungsmöglichkeiten des Tri Net Film Fest zu sprechen.

albinfo.ch: Das Publikum ist ein interpretierender und mitgestaltender Akteur der Filmerfahrung. Welche Erwartungen haben Sie an das Publikum dieser Ausgabe und wie denken Sie, dass albanisches und schweizerisches Publikum die Filme entschlüsseln wird, angesichts ihrer kulturellen Kontexte?

Ben Apolloni: Ich weiß nicht, wie sie die Filme dieser Ausgabe lesen werden, aber ich weiß, dass ich mich darauf freue, ihre Meinungen zu hören. Ich sage das aus der Erfahrung des letzten Jahres, in dem das Publikum die Filme auf hervorragende Weise gelesen und interpretiert hat.

albinfo.ch: Für junge Regisseurinnen und Regisseure, die in den kommenden Ausgaben teilnehmen möchten: welchen Aspekt der Filmsprache oder der autor*innenbezogenen Herangehensweise würden Sie ihnen empfehlen weiterzuentwickeln, damit ihre Werke stärker mit den Standards des Festivals kommunizieren?

Ben Apolloni: Wir haben keine speziellen Kriterien festgelegt, außer dass die Filme Kurzfilme sein müssen und auf Albanisch oder Deutsch gedreht sein sollen. Für alles andere haben sie freie Hand.

albinfo.ch: Wenn Sie diese Ausgabe in einer zentralen Idee zusammenfassen würden, welche Botschaft oder welche wesentliche Spur möchten Sie, dass sie hinterlässt, sowohl in der Erfahrung des Publikums als auch in der ästhetischen und institutionellen Kontinuität des Tri Net Film Fest?

Ben Apolloni: So wie es auch das Motto des Festivals ausdrückt, wünsche ich mir, dass die Filme, die das Publikum sehen wird, lange in ihrer Erinnerung bleiben, dass man über sie spricht und dass sie als Inspiration dienen, neue Filme zu schreiben und zu schaffen.

Die vierte Ausgabe des Tri Net Film Fest bestätigt, dass ein Festival, das in der Diaspora entstanden ist, zu einer Tradition und zu einem dauerhaften Raum des kulturellen Dialogs werden kann. Innerhalb der albanischen Kultur in der Schweiz stärkt es die künstlerische Identität der Gemeinschaft, baut neue Brücken zum Publikum und ermutigt Filmschaffende, intensiver mit der Filmsprache und ihren kreativen Ansätzen zu experimentieren.

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