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Masserey: Die Schweiz liegt mit der Impfung über dem EU-Durchschnitt

Die Skepsis gegenüber der Impfung bleibt weiterhin bestehen und das BAG muss nun auch auf Social-Media-Kampagnen ausweichen, um jede Bevölkerungsgruppe zu erreichen

Virgine Masserey ist seit über fünf Jahren Leiterin der Sektion Infektionskontrolle beim Bundesamt für Gesundheit BAG. Wir haben Frau Masserey getroffen, um über die Impfbereitschaft der Gesellschaft und Prognosen der Pandemie zu besprechen. Die Skepsis gegenüber der Impfung bleibt weiterhin bestehen und das BAG muss nun auch auf Social-Media-Kampagnen ausweichen, um jede Bevölkerungsgruppe zu erreichen.

Welche Impfzentren stehen unter Ihrer Obhut und wo sind diese für Reisende?

Das BAG betreibt keine Impfzentren, sondern die Kantone. Die Anzahl der Impfzentren variiert, denn es gibt auch solche, die nur am Wochenende in Betrieb sind oder mobil bei Einkaufszentren oder Anlässen im Einsatz stehen. Jeder Kanton entscheidet selbst, wie die lokalen Bevölkerungsgruppen am besten erreicht werden mit dem Impfangebot. Das BAG ist im ständigen Kontakt mit den Kantonen und unterstützt diese in ihren Bestrebungen, möglichst viele Personen in der Bevölkerung zu erreichen.
In der Schweiz wird kürzlich von einer deutlich geringeren Zahl an Impfungen berichtet, wird sich dieses Phänomen Ihrer Meinung nach auf eine andere mögliche Pandemiewelle negativ auswirken?

Das lässt sich heute noch nicht sagen. Die Impfkampagne in der Schweiz ist auf gutem Weg, ein Grossteil der Bevölkerung hatte die Gelegenheit, sich impfen zu lassen. Es ist davon auszugehen, dass die Sommerferienzeit zu einer kleineren Nachfrage nach Impfterminen führt, weil vor den Ferien oft nicht die beiden nötigen Impftermine wahrgenommen werden können. Dies steht nicht in Verbindung mit der generellen Impfbereitschaft, die in den vergangenen Monaten kontinuierlich zugenommen hat, je nach Umfrage beträgt sie zwischen 70 und 80%. Es ist naheliegend, dass das «Impftempo» in den kommenden Wochen etwas abnimmt. Wir gehen davon aus, dass sich weitere impfbereite Menschen bis im Herbst impfen lassen werden.

Als Impfprognose wurde gesagt, dass bis September etwa 60% der Bevölkerung die Impfung erhalten werden, halten Sie diesen Prozentsatz mit diesem Tempo, das sich derzeit entwickelt, für möglich?
Wir sind zufrieden mit dem Impffortschritt. 51% der Erwachsenen in der Schweiz sind doppelt geimpft, hier liegen wir deutlich über dem Durchschnitt in der EU. 63% der Erwachsenen haben mind. 1 Impfdosis erhalten. Das BAG ist zuversichtlich, dass sich die Impfquote weiter steigern wird. Gewisse Menschen benötigen mehr Zeit für ihren Impfentscheid als andere, dafür haben wir Verständnis.

Das BAG meldet seit Beginn der Pandemie tägliche Statistiken zu Infektionen und Todesfällen, aber eine genaue Zahl von Heilungen haben wir nicht kennengelernt. Gibt es Statistiken zur genauen Zahl, wie viele von Covid genesen sind?

Darüber führt das BAG keine Statistik. Aber wir publizieren täglich neue Zahlen über die Fälle und die Todesfälle.

Wie viele Personen wurden bisher in der Schweiz insgesamt getestet und wie viele Personen wurden genau geimpft?
Vom 8. Juni 2020 bis 14. Juli 2021 gab es in der Schweiz 8’012’269 Tests, davon 675 748 positive Covid-19-Fälle. 4’563’894 Menschen hatten mindestens eine Impfdosis erhalten.

Einige Ausländer:innen sind sehr skeptisch gegenüber der Impfung eingestellt. Wie ist die Arbeit mit deren Impfbereitschaft und speziell Albaner:innen (Kosovar:innen etc.)?
Zum heutigen Zeitpunkt liegen uns noch zu wenig Informationen über die Impfbereitschaft in den verschiedenen Migrationsgruppen vor. Für Migrantinnen und Migranten der Schweiz stellt das BAG Informationen in diversen Sprachen zur Verfügung. Auch die Kampagnenwebseite zum Coronavirus ist in 24 Sprachen übersetzt. Zudem arbeitet das BAG mit verschiedenen Organisationen sowie mit Diaspora-TV zusammen, um die Migrationsbevölkerung mit den nötigen Informationen zu versorgen, damit sie ihren Impfentscheid treffen kann.

In den letzten Wochen haben wir eine deutliche Abnahme der Impfbereitschaft, auch bei den Schweizer:innen wahrgenommen. Wie erklären Sie sich das und haben Sie Pläne, diese Stimmung zu ändern?
Das ist nachvollziehbar: Viele Menschen haben bereits die Möglichkeit erhalten, sich impfen zu lassen. Zudem ist Sommerferienzeit. Unsere Statistiken zeigen, dass die Impfquote in den jüngeren Altersgruppen weiterhin steigt. Es ist normal, dass gewisse Menschen mehr Zeit benötigen, um sich zu entscheiden.

Wir nutzen weiterhin jede Gelegenheit, um die Wichtigkeit der Impfung, insbesondere vor Reisen und angesichts der Delta-Variante, zu vermitteln. Zudem unterstützen wir die Kantone in ihren Bemühungen all jene zu erreichen, die den Schritt zur Impfung noch nicht getan haben (bspw. Impfungen in Betrieben, in mobilen Bussen, Walk-in-Impfungen)

Ausserdem ist der Anteil der Jugendlichen, die sich impfen lassen möchten, sehr gering. Wie erklären Sie das und gibt es eine Idee für eine Sensibilisierungskampagne?

Die Erfahrungen in der Covid-19-Pandemie haben gezeigt, dass Kinder und Jugendliche nur ein geringes Risiko haben, schwer an Covid-19 zu erkranken. Junge Menschen standen am Anfang nicht im Fokus der Impfkampagne, dieser galt älteren Menschen und jenen mit chronischen Krankheiten. So können sich 12- bis 15-Jährige erst seit kurzem sich schützen lassen.
Um diese zu erreichen, klärt das BAG insbesondere in den sozialen Medien über die Covid-19 Impfung auf, damit sich junge Menschen eine Meinung bilden können. Die Impfzahlen in den jüngeren Altersklassen zeigen weiterhin nach oben, wir gehen davon aus, dass sich weitere junge Menschen in den kommenden Wochen für eine Covid-19 Impfung entscheiden werden. Auch, weil sie Delta-Variante des Virus auf dem Vormarsch ist. Und die jungen Leute erkennen, dass die Impfung die Rückkehr ins normale Leben erleichtert: Reisen und die Teilnahme an kulturellen und sportlichen Veranstaltungen erfordern ein Gesundheitszeugnis.

Wir haben einen Anstieg der Zahl der Infizierten, aber die Zahl der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle hat sich nicht erhöht. Wie wird das erklärt?
Einerseits liegt zwischen der Infektion und ihren Folgen, also einem möglichen Krankenhausaufenthalt oder im schlimmsten Fall dem Tod, eine Zeitspanne. Andererseits werden gefährdete Personen heute sehr häufig geimpft. Die Wirksamkeit der in der Schweiz verfügbaren Impfstoffe gegen schwere Formen der Krankheit ist ausgezeichnet, so dass die Auswirkungen auf Krankenhausaufenthalte und Todesfälle bei diesen Menschen begrenzt sind. Dies wird auch durch Daten, insbesondere aus Großbritannien, bestätigt. Da das Virus jedoch weiterhin in der ungeimpften Bevölkerung zirkuliert, kann ein Einfluss auf Krankenhausaufenthalte und sogar Todesfälle nicht ausgeschlossen werden.

Sieht das BAG angesichts der Zunahme der Delta-Mutation ein Risiko für einen neuen Pandemieausbruch, ähnlich wie im letzten Herbst?
Bis im Herbst wird ein relativ grosser Teil der Bevölkerung in der Schweiz noch nicht geimpft sein. Unter diesen Menschen wird das Coronavirus zirkulieren. Die Variante Delta wird mit seiner besseren Übertragbarkeit wohl einen Betrag zur raschen Ausbreitung in der nicht-immunen Bevölkerung leisten. Ob und in welchem Umfang eine weitere Welle die Schweiz treffen wird, ist gegenwärtig nur schwer vorhersagbar. Dies wird vor allem davon abhängen, dass diejenigen geimpft werden, bei denen die Wahrscheinlichkeit eines Krankenhausaufenthalts am größten ist (Erwachsene ab dem 40. Lebensjahr).

Das BAG arbeitet mit verschiedenen Organisationen sowie mit Diaspora-TV zusammen, um die Migrationsbevölkerung mit den nötigen Informationen zu versorgen, damit sie ihren Impfentscheid treffen kann.