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Die Beziehungen zwischen Kosova und der Schweiz gehen über den Fussball hinaus

Beim Empfang in der kosovarischen Botschaft in Bern zur Feier des Unabhängigkeitstags nahmen zahlreiche in der Schweiz akkreditierte Botschafter und schweizerische und kosovarische Staatsbeamtinnen teil

Die Erfolge der albanischen Fussballspieler in der Schweizer Nationalmannschaft sind weiterhin das Stichwort, wenn von der erfolgreichen Integration der albanischsprachigen Bevölkerung in der Schweiz die Rede ist. Auch der Botschafter Kosovos in Bern, Naim Malaj, bezog sich auf dieses Beispiel in seiner Begrüssungsrede am gestrigen Empfang im Hotel Palace in Bern zu Ehren des kosovarischen Nationalfeiertags, dem 17. Februar.

“Mehr als die Hälfte der Schweizer Mannschaft sind junge Männer  albanischen Ursprungs, und  sie sind ausserdem die Besten unter den Besten …”, sagte der Botschafter, um weiter zu erklären: “Die Kosovaren der Schweiz oder die Schweizer Kosovas freuen sich über die Resultate der helvetischen Nationalmannschaft.” Kosova, dem  (aus politischen Gründen) eine Teilnahme an solchen Meisterschaften nicht möglich ist, wird laut ihm in Brasilien indirekt vertreten sein, nämlich durch die Schweiz.

Doch es sind nicht nur die Fussballer, die mit den Schweizerinnen und Schweizern gemeinsame Werte teilen. “Viele Vereine wie albinfo.ch, das ISEAL, die UPA, der LAPSH, der Rat der Albanerinnen und Albaner in der Schweiz, etc. tragen dazu bei”, sagte Botschafter Malaj unter anderem.                                                                                     An dem Empfang nahmen viele in der Schweiz akkreditierte Botschafterinnen aus verschiedenen Ländern  und hohe Beamte der Schweizer Behörden teil. Aus Kosovo waren der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Fadil Ismajli, der Parlamentsabgeordnete Elmi Reçica und andere gekommen.                                                  

Unter den Botschaftern am Empfang in Bern war auch jener der Dominikanischen Republik, Juan Alcantara. Gerne zeigte er sich zu einem Gespräch mit albinfo.ch bereit. “Die Dominikanische Republik war der erste Staat, der Kosova als unabhängigen Staat anerkannte,” waren Alcantaras Worte, mit welchen er sich stolz an uns richtete. Auf die Bitte, nun, sechs Jahre nach der Unabhängigkeit, noch etwas mehr über Kosova zu sagen, fügte er hinzu: “Wir sind sehr zufrieden, dass wir dieses wunderbare Land Kosova als Staat anerkannt haben und ich denke, es hat nicht wenige Fortschritte gemacht. Ich denke nicht, dass es vor unüberwindlichen Problemen steht und ich gratuliere Ihrem Staat zum Jahrestag der Unabhängigkeit und hoffe, ihn eines Tages zu besuchen”, schloss der dominikanische Botschafter.

Der Kosovokenner Rolf Debrunner war vor einigen Jahren der Promotor für die Installation einer steinernen Tafel zum Zeichen des Dankes der Kosovaren an die Schweiz am Zürcher Paradeplatz mit der Inschrift “Danke Schweiz”. “Ich werte die Tatsache sehr hoch, dass die junge kosovarische Generation immer mehr Raum einnimmt im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben der Schweiz”, sagte Debrunner. Betreffend der Lage in Kosovo selbst meinte er, dass das Land immer noch auf der Suche nach Stabilität sei. “Es ist schön festzustellen, dass Kosovo nach westlichen Werten orientiert arbeitet, doch ist zu sagen, dass es immer noch viel zu tun gibt. Leider suchen viele ausgebildete Leute Kosovos ein besseres Leben in den westlichen Ländern. Es muss deshalb darauf hin gearbeitet werden, dass die Hirne wieder zurückkehren, um in Kosovo etwas beizutragen”, schloss Debrunner.

Am Empfang in Bern anwesend war auch der bekannte albanische Herzchirurg aus Tetova, Omer Xhemajli, bekannt dafür, als erster albanischer Arzt eine Herztransplantation durchgeführt zu haben. Dr. Xhemajli arbeitet in einem Zürcher Spital. Er sagte, Kosova feiere seinen sechsten Jahrestag mit guten Erfolgen im Aufbau des Landes.

“Wenn wir uns die Belagerung, in der es sich befindet, vor Augen halten, und die Mittel, die es zur Verfügung hat sowie die Bedingungen, die ihm auferlegt werden, hat Kosovo grosse Fortschritte gemacht. Wir Albaner, die Staatsbürger Makedoniens sind, schauen mit Bewunderung auf das, was Kosovo erreicht hat, und wünschen uns, auch so weit zu kommen”, sagte Dr. Xhemajli zu albinfo.ch.

Der Politologieprofessor an der Universität Prishtina, Afrim Hoti, befand sich in Bern in seiner Eigenschaft als Berater des Ministers für wirtschaftliche Entwicklung Kosovas. Laut Hoti stellt allein die Tatsache, dass der sechste Jahrestag von Kosovas Unabhängigkeit in einer kosovarischen Botschaft gefeiert wird, einen nicht unbedeutenden Erfolg dar. Doch diese sechs Jahre beinhalten eine Periode der ausserordentlichen Möglichkeiten und der bescheidenen Ergebnisse, sagte er. Hier müssen objektive Hindernisse erwähnt werden, vor allem der Widerstand, der der Unabhängigkeit des Landes erwächst. Gemäss Professor Hoti sind die Probleme Kosovas vor allem die Probleme einer Gesellschaft in Transition. Doch habe Kosova zusätzliche Schwierigkeiten, denke man an den Weg, den es in Richtung Staatlichkeit verfolgte, schloss Afrim Hoti.

Der junge Anwalt Jeton Kryeziu, Präsident des Rats der Albanerinnen und Albaner der Schweiz, teilt diesen Optimismus nicht. Seiner Ansicht nach hätte Kosovo, da es schon seit sechs Jahren ein Staat ist, mehr erreichen können, als was es effektiv erreicht hat. Kritisch sieht er vor allem die Geringschätzung der Souveränität des Landes von Seiten der kosovarischen Behörden selbst. Zuzulassen, dass ausländische Dienste in Kosovo Untersuchungen durchführen, ist laut Kryeziu ein Zeichen für diese Geringschätzung. Gleichermassen unverantwortlich zeigten sich seiner Meinung nach die kosovarischen Behörden auch, was die Aufhebung des Sozialversicherungsabkommens in Bezug auf Kosovo durch die Schweiz angeht. Ein weiteres Scheitern sieht er darin, dass der Diaspora nicht der verdiente Platz eingeräumt wird. “Seit wie vielen Jahren wird jetzt schon davon gesprochen, im Parlament einen oder mehrere Sitze für Abgeordnete der Diaspora freizuhalten, doch immer noch gibt es gar nichts in dieser Richtung.” Einige Erfolge wurden, wie Kryeziu sagt, in der Wirtschaft erzielt, beziehungsweise im Aufbau und der Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen. Doch im Ganzen, schliesst er, hat Kosova noch viel zu tun.