Integration
Eine ambitionierte Schweiz-Kosovarin in der Bundeskanzlei
Drenusha Hajdini arbeitet in der Schweizer Bundeskanzlei. Für albinfo.ch spricht sie über ihre Stelle dort und über ihre Masterarbeit, die sich mit dem Kosovo befasst
Drenusha Hajdini arbeitet in der sogenannten „Bundeskanzlei“ der Schweiz in Bern, im Bundeshaus, dem Sitz der Regierung des Landes (Bundesrat) und des Parlaments mit beiden Kammern.
Es ist nicht so häufig, dass man eine junge Frau mit kosovarisch-albanischen Wurzeln in diesem Gebäude trifft. Doch Drenusha sagt, dass sie mehrere Frauen mit solchen Wurzeln kenne, die für die Bundesverwaltung arbeiteten. Wie sah der Weg aus, der Drenusha hierhergebracht hat?
„Ich habe ein Bachelorstudium in Politikwissenschaften und ein Masterstudium in Public Management abgeschlossen“, sagt sie, „und zwar habe ich nicht nur an der Universität Lausanne, sondern auch an der Universität Bern studiert, um mir die deutsche Sprache anzueignen. Denn ich hatte schon früh das Ziel, in der Bundesverwaltung zu arbeiten, und Kenntnisse zweier Sprachen sind dafür eine Voraussetzung.“
„Ich interessierte mich immer schon sehr dafür, wie politische Institutionen funktionieren, wie der Staat organisiert ist, wie er die Gesellschaft und die Bürger beeinflusst. Das war natürlich der Grund, warum ich mich für ein Studium der Politikwissenschaft und des Public Managements entschieden habe. Ich war auch beruflich schon während des Studiums in diesem Feld tätig und arbeitete am Institut für öffentliche Verwaltung (IDHEAP) als Assistentin im Bereich der öffentlichen Finanzen.“
Wie funktioniert die Bundeskanzlei?
Drenusha Hajdini ist schon seit fast zwei Jahren für die Bundeskanzlei tätig. Dieser Arbeit geht sie mit grosser Hingabe nach. Das zeigt sich auch daran, mit welcher Begeisterung sie unseren Lesern die Rolle und Funktion der Bundeskanzlei, aber auch ihre Arbeit und die ihrer Kollegen in diesem Umfeld beschreibt. „Die Bundeskanzlei ist die Stabsstelle des Bundesrates und hat verschiedene Aufgaben, zum Beispiel die Sicherstellung der Ausübung der politischen Rechte, zu denen auch Volksabstimmungen und Volksinitiativen gehören. Dann ist sie auch für die offizielle Kommunikation der Regierung verantwortlich, erstellt Analysen für die politische Strategie usw. In unserer Sektion „Bundesratsgeschäfte“ werden alle Beschlüsse behandelt, die der Bundesrat in seiner wöchentlichen Sitzung fasst. Alle wichtigen Entscheidungen für den Staat, auch die sensibelsten und solche mit internationalem Charakter, laufen über unser Team. Vor den Bundesratssitzungen, die jeweils am Mittwoch oder am Freitag stattfinden, werden uns die Unterlagen für den Bundesrat zugesandt und wir prüfen sie. Nachdem wir diese von allen Departementen erhalten haben, erstellen wir eine Liste mit den Meinungsverschiedenheiten zwischen den Departementen. Dies erleichtert die Arbeit des Bundesrates, da er mehr Zeit auf Geschäften verwendet, bei denen es Differenzen gibt. Es ist bewundernswert, wie alle Positionen vor jedem Beschluss berücksichtigt werden und wie gut das funktioniert. Denn das sollten Sie bedenken: Bei Bundesratssitzungen werden bis zu 200 Entscheidungen getroffen! Nach Abschluss dieser Sitzungen kümmert sich unser Team schliesslich darum, dass die Beschlüsse des Bundesrates in der richtigen Form ausgefertigt.“ „Es ist eine grosse Ehre, in der Bundesverwaltung zu arbeiten und zu wissen, was in den staatlichen Institutionen passiert. Diese Arbeit erfordert eine sehr hohe berufliche Ethik, da wir uns mit Themen befassen, die von grosser politischer Sensibilität sind, und erfordert die Fähigkeit, unter politischem Druck zu arbeiten und absolute Diskretion zu wahren.“
„Aber was mich interessiert hat, war immer nur die wissenschaftliche Seite. Ich habe mich darauf konzentriert, von aussen zu analysieren, wie sich das politische Spiel entwickelt, und nicht darauf, selbst Teil der Politik zu sein.“
Drenushas Engagement für das Funktionieren der Bundesverwaltung kommt gut zum Ausdruck, wenn sie ihre Stelle beschreibt. Hat sie darüber hinaus Ambitionen, selber parteipolitisch aktiv zu werden?
Sie sagt, dass ihr diese Frage seit Beginn ihres Politikwissenschaftsstudiums oft gestellt wurde. „Aber was mich interessiert hat, war immer nur die wissenschaftliche Seite. Ich habe mich darauf konzentriert, von aussen zu analysieren, wie sich das politische Spiel entwickelt, und nicht darauf, selbst Teil der Politik zu sein.“
Auf die Frage nach ihren Ambitionen in Bezug auf wissenschaftliche Weiterentwicklung, Universitätsabschlüsse, etwa einen Doktortitel usw., sagt sie, dass dies noch offen sei, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt. „Als ich mein Masterstudium abgeschlossen hatte, fragte mich der Professor, ob ich jetzt ein Doktorat starten möchte.“
Drenusha Hajdini hat die öffentliche Verwaltung im Kosovo untersucht
Wenn es um den Master geht, gibt es ein „Detail“, das wir nicht übersehen sollten. Neben der Tatsache, dass Drenusha von der Universität für den besten Masterabschluss ihres Jahrgangs mit einem Preis ausgezeichnet wurde, ist auch das Thema ihrer Masterarbeit besonders.
„Der Titel meiner Masterarbeit lautete „Reformen der öffentlichen Verwaltung im Kosovo im Rahmen des SIGMA-Programms der EU und der OECD“, erläutert unsere Gesprächspartnerin. „Die öffentliche Verwaltung ist das Instrument in der Hand des Staates, um die Gesetze im Dienste der Bürger umzusetzen, daher kommt ihr eine wichtigere Rolle zu.“ Da der Kosovo eine Mitgliedschaft in der EU anstrebt, sind in einigen Bereichen einige Reformen durchzuführen. Die öffentliche Verwaltung ist einer davon. „Tatsächlich hatte ich in meinem Fach das Ziel, drei Bereiche zu studieren: Öffentliches Finanzmanagement, Personalmanagement und strategische Rahmenbedingungen. Bei der Verwaltung der öffentlichen Finanzen wurden grosse Erfolge erzielt, nicht jedoch in den beiden anderen Bereichen. Mein Ziel war es, die Ursachen für diese Stagnation zu finden und einen Weg aufzuzeigen, der auch hier Fortschritte erlaubt.“
Kosovo – eine Fallstudie, die sich zu untersuchen lohnt
Für diese Arbeit hat Drenusha Unternehmer und Wissenschaftler im Kosovo interviewt, aber auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen sowie Personen, die bei der OECD für das SIGMA-Programm verantwortlich sind. „Ich hatte zwei Ziele: Erstens das persönliche Ziel, historisches und politisches Wissen über den Kosovo zu erlangen. Es ist normal, dass ich mich dem Kosovo emotional immer verbunden gefühlt habe, aber mein Wissen über das politische System und die Verwaltung hatte ich nur am Beispiel der Schweiz erworben. Das andere Ziel war wissenschaftlicher Natur: Zu Kosovo, einen im Aufbau oder in der Entwicklung befindlichen Staat, gibt es nur sehr wenig Forschung. Deshalb war es mir wichtig zu zeigen, dass es sich lohnt, den Kosovo im Rahmen einer Fallstudie zu untersuchen. Wir können das Land mit den uns zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Instrumenten untersuchen, so dass es nicht mehr etwas Aussergewöhnliches oder Isoliertes ist. Ich hoffe, dass ich diese beiden Ziele erreicht habe, da meine Arbeit von der Universität Lausanne als Buch veröffentlicht wurde. Die Veröffentlichung erfolgte im November 2023“, sagt Drenusha Hajdini (den Link zur Veröffentlichung Serval – L’administration publique au Kosovo sous le programme SIGMA de l’OCDE et de l’UE : analyse de quelques domaines de réformes (unil.ch)). Die Eltern von Drenusha haben im Kosovo an der Universität studiert, hatten hier aber aus bekannten Gründen natürlich keine Möglichkeit, sich beruflich weiterzuentwickeln. „Daher sind meine Leistungen und die meiner drei Brüder gewissermassen die Verwirklichung ihrer Wünsche. An dieser Stelle möchte ich auch Folgendes sagen: Beim Lesen von Albinfo.ch, den Porträts junger Albaner in der Schweiz, die Erfolge vorweisen können, waren meine Eltern immer begeistert. Deshalb fühle ich mich jetzt gut, da nun ihre Tochter an der Reihe ist.“ Über den Kosovo gibt es viele Vorurteile, oft ist von Verantwortungslosigkeit in den staatlichen Institutionen die Rede. „Aber ich kann sagen, dass in der öffentlichen Verwaltung gute Leistungen erbracht werden und es viele Menschen gibt, die engagiert arbeiten“, sagt Drenusha, „und diejenigen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, waren sehr offen und hilfsbereit. Die Jugend im Kosovo zeigt grosses Potential und hat das Vertrauen, dass sich das Land auch in diesem Bereich weiterentwickeln wird.“
Ihre Botschaft: „Habt Mut, das Schicksal zu provozieren“
Ihre Botschaft an junge Menschen mit albanischen Wurzeln, die sich für Politik interessieren und eine Karriere im von ihr gewählten Bereich anstreben, brachte sie in wenigen Worten auf den Punkt: „Habt Mut, das Schicksal zu provozieren.“ Es sei wichtig, sich während des Studiums in Gesellschaft, Vereinen und beruflich zu engagieren. „Aber eines gilt es bei dieser Gelegenheit zu vermitteln: In der Schweizer Gesellschaft werden Arbeit und Leistung immer geschätzt, unabhängig von der politischen, sozialen, ethnischen oder sonstigen Herkunft, mein Beispiel zeigt dies. Mir halfen nicht soziale Verbindungen oder gute wirtschaftliche Verhältnisse meiner Eltern, sondern es war die Schweiz, die mir Chancen bot, die ich gepackt habe. Ich fühle mich glücklich in der Schweiz geboren zu sein und bin sehr stolz, heute für die Bundeskanzlei zu arbeiten!“
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